Theodor Körner Preisträger:innen 2024


    I. Wissenschaften


    a) Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften

    Yuki Murata

    Nationalization in Revolutionary Ukraine, 1905-1923: Ukrainian Self-Determination and Russian Nationality
    This project examines the process of national categorization in Ukraine during the turbulent period marked by the 1905 Revolution, the First World War, the Russian Revolution of 1917, the civil wars, and early Sovietization. The research focuses on the narratives and identification of Ukrainian and Russian nationalities, as well as the construction and fluctuation of boundaries between them in politics, administration, and society. This study does not only analyze the official laws and decrees on nationality policies issued by various political powers that emerged in Ukraine, but also consider the responses of the local population and their influence on official policies.
    Portrait Murata © privat

    Muriel Razavi

    Re-Orientalismus in der Musik. Die Re-Orientalismus-Theorie bei zeitgenössischen iranischen Komponistinnen der „Iranian Female Composers Association“ (IFCA)
    Diese künstlerisch-wissenschaftliche Dissertation befasst sich mit zeitgenössischen Werken von Komponistinnen der Iranian Female Composers Association. Die wissenschaftliche Promotionsarbeit wird methodisch unterstützt durch ein empirisch-analytisches Vorgehen in Form von Interviews mit den Komponistinnen. Die der Arbeit zu Grunde liegende neue diasporische Wissenschaftstheorie des "Re-Orientalism" basiert auf dem von Edward Said eingeführtem Orientalismus- und Postkolonialismus-Diskurs. In diesem Kontext werden den Komponistinnen auch Fragen zum Exotismus, Self-Positioning und Othering im Zusammenhang mit der künstlerischen Kompositionstätigkeit gestellt.
    Portrait Razavi © Andrej Grilc

    Marlis Stubenvoll

    Embracing the cozy internet: Investigating well-functioning interactive online spaces through positive deviance and mobile experience sampling
    Das Internet hat nicht nur schlechte Seiten. Es gibt auch Plattformen, Foren und Online-Communities, die das Wohlbefinden und den sozialen Zusammenhalt von User:innen fördern. Die zentrale Frage dieses Forschungsprojekts ist, was genau das Funktionieren solcher digitalen Räume begünstigt – sind es die Inhalte, die Normen der Communities, oder der spezielle technische Aufbau dieser Seiten? Ziel ist es, empirische Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie digitale Räume gestaltet werden müssen, um konstruktive und unterstützende Gemeinschaften im Internet zu stärken.
    Portrait Stubenvoll © privat

    b) Medizin, Naturwissenschaften und Technik

    Manuel Längle

    Melting of two-dimensional van der Waals systems
    In diesem Projekt geht es darum feste Edelgaskristalle in zwei Dimensionen (2D) zu schmelzen. Edelgaskristalle bilden sogenannte van-der-Waals (vdW) Festkörper, welche aufgrund der Abwesenheit von chemischen Bindungen relativ einfach zu verstehen sind. Sie eignen sich daher, um komplizierte Phänomene, wie Schmelzen, ein Prozess der in 2D grundlegend anders funktioniert, zu untersuchen. Indem Edelgase zwischen atomar dünnen Kohlenstoffschichten (Graphen) eingeschlossen werden, kann solch ein 2D-vdW-System mithilfe der Transmissionselektronenmikroskopie Atom für Atom abgebildet werden, was bisher nicht möglich war. Die bestehende KTHNY Theorie kann nun auf atomarer Ebene nachgewiesen werden.
    Portrait Längle © privat

    Magdalena Lerch

    Biological and clinical insights into checkpoint inhibitor therapy associated neurological autoimmunity
    Krebs ist weltweit eine der führenden Ursachen für Morbidität und Mortalität. CheckpointInhibitoren haben die Krebstherapie revolutioniert, bergen jedoch das Risiko immunvermittelter Nebenwirkungen, die schwere Autoimmunreaktionen wie Erblindung, Lähmungen oder Krampfanfälle auslösen können. Besonders gefährlich sind diese, wenn das Nervensystem betroffen ist. Ziel dieser Studie ist es, ein Risikoprofil zu entwickeln, um Patienten mit einem hohen Risiko für neuronale Nebenwirkungen frühzeitig zu identifizieren. Dies soll eine personalisierte Krebstherapie ermöglichen und die Patientensicherheit deutlich erhöhen.
    Portrait Lerch © privat

    c) Rechtswissenschaften

    Stella Oswald

    Die Grenzen der Meinungs- und Versammlungs­freiheit in öffentlichen Kommunikations­räumen
    Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit schützen den öffentlichen Meinungsbildungsprozess, der für einen demokratischen Rechtsstaat unerlässlich ist. Die Ausübung dieser Grundrechte führt jedoch regelmäßig zu Konflikten. Das zeigen etwa die Diskussionen über Bettelverbote oder jüngst über Klimaklebeproteste. Das Dissertationsvorhaben untersucht solche Konfliktlagen und damit verbunden die Grenzen dieser Grundrechte in öffentlichen Kommunikationsräumen. Untersucht werden öffentliche Räume im Staats- und Privateigentum sowie physische und virtuelle öffentliche Räume. Dabei werden jeweils die Besonderheiten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Räume für die Grundrechtsabwägung behandelt.
    Portrait Oswald © privat

    Leon Seller

    Zwangsbehandlungen in der präklinischen Notfallmedizin und deren grundrechtliche Bewertung
    Die Rechtsordnung lässt offen, ob nicht-entscheidungsfähige Patientinnen abseits der Psychiatrie mit körperlichem Zwangs behandelt werden dürfen. Dies führt zu einem rechtlichen und ethischen Dilemma: Wäre dies der Fall, würde erheblich in die Grundrechte dieser Person (v.a. Selbstbestimmung) eingegriffen werden. Sieht man von einer Zwangsanwendung ab, würde im Extremfall der Tod dieser Person in Kauf genommen werden, wodurch ebenso Grundrechte verletzt sein können. In der Dissertationsarbeit soll beurteilt werden, ob und inwieweit die Anwendung von körperlichem Zwang in der präklinischen Notfallmedizin zulässig ist. Im zweiten Schritt soll die Rechtslage grundrechtlich bewertet werden.
    Portrait Seller © privat

    d) Wirtschaftswissenschaften

    Anna Matzner

    Distributional and macroeconomic implications of carbon taxation: Regional variation in revenue recycling
    Die Verteilungswirkungen einer CO₂-Steuer hängen maßgeblich von der Art der Rückverteilung der Einnahmen ab. Ich untersuche die Verteilungswirkungen des in Österreich mit der CO₂-Steuer eingeführten Rückverteilungsinstruments, dem „Klimabonus“. Die Rückverteilung basiert auf Unterschieden in der lokalen Infrastruktur. Ich kombiniere Daten zu Emissionen und Haushaltskonsum, um die Steuerbelastung zu schätzen und mit den Bonuszahlungen zu vergleichen. Anschließend entwickle ich ein quantitatives Modell, um die makroökonomischen Auswirkungen der CO₂-Steuer zu analysieren und den Klimabonus mit anderen Ansätzen zur Rückverteilung zu vergleichen.
    Portrait Matzner © Privat

    II. Kunst


    a) Bildende Kunst und Kunstfotografie

    Martina Lajczak

    Rivers we carry, Mountains we seek
    „Rivers we carry, Mountains we seek“ ist eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit den Erfahrungen polnischer Migrant*innen erster sowie zweiter Generation in Österreich. Mit Hilfe der Charakteristika eines Märchens illustriert das Projekt die Themengebiete Identität, Migration, Diskriminierung und Integration, wobei eine Reihe von Techniken, wie unter anderem Fotografie, Skulptur, sowie generative Prozesse verwendet werden, um eine Art des Storytellings zu schaffen, die es ermöglich die Vielschichtigkeit und Komplexität dieses Themas darzustellen. Strukturiert in vier Kapitel zielt das Projekt darauf ab, im Rahmen eines Ausstellungssettings einen Dialog über die Lebensrealität osteuropäischer Migrant*innen in Österreich anzustoßen.
    Portrait Lajczak © privat

    Nora Severios

    Keeping Up with the Kurds
    Die fortlaufende Serie mit dem Titel: Keeping Up with the Kurds ist meine Auseinandersetzung mit Transhumanz und dem Jahreszyklus, sowie darin beobachtete Symbiosen und Antibiosen zwischen Tieren, Pflanzen und Pilzen. Weiters beziehe ich Elemente aus kurdischen Mythen, Alltagshandlungen und traditionellen Handwerkstechniken (Wolle verarbeiten durch Filzen, Verspinnen mittels Handspindel, Einfärben mit Pflanzenfarben) in meine Arbeiten ein; ein Weg mich mit meiner persönlichen Herkunftsgeschichte auseinander zu setzen, wenngleich sie dem Betrachten einer Reality-Show gleicht (Titel).
    Portrait Severios © Sophie Poelzl

    Julija Zaharijević

    Excess
    „Excess“ ist eine Serie von Ölgemälden, die Landminen teilweise oder ganz aus der Vogelperspektive zeigen. Sie erscheinen zunächst als abstrakte Formen, die wie Topfdeckel und Blumen aussehen, und stellen auf beunruhigende Weise Unschuld und Bedrohung einander gegenüber. „Excess“ verweist auf den Kanon der Moderne und stellt ihn infrage
    , indem es geometrische Formen verwendet und das Wesen der Malerei hinterfragt. Es schafft eine Dissonanz, indem es etwas zeigt, das visuell ansprechend, aber kognitiv verstörend ist. Die Logik der stummen Schönheit, hinter der sich grausame Gewalt verbirgt, dient als Allegorie für die Überlegenheit des Westens als faktischem Schöpfer der globalen Kultur.
    Portrait Zharijevic © Joon Yeon Park

    b) Literatur

    Katharina Klein

    Motten
    Motten ist ein Roman in Versen. Er erzählt von dem, was aufflattert, wenn man bewegt, was ewig schon so stand und zur Quellensuche mahnt. Der Vater vergisst, aber der Text erinnert sich: An die Ager, die Asche, das Aber. Das Gedächtnis ist ein Messie und die Sprache wühlt. Im unzugänglich Verlegten wer weiß. Wo das Alphabet abbricht, listet sie Lücken und fragt: Was sagt ein Ding über sein Danebenliegendes aus? Und antwortet mit: meaning is use. 
    Portrait Klein © privat

    Lisa Mundt

    Unterkommen
    Unterkommen erzählt die Geschichte von Karin, einer hilflosen Helferin angesichts aktueller wie vergangener Krisen. Sie arbeitet als Sozialpädagogin in einer WG für Kinder und Jugendliche, die aus diversen Gründen aus ihren Familien genommen worden sind. Doch auch Karin spürt die Auswirkungen einer traumatischen Kindheit, welche sowohl Motivation als auch Herausforderung darstellt. Was bedeutet es, sich in der Welt verletzter Kinder zurechtfinden zu müssen, während die eigene Selbstwirksamkeit sowohl durch die persönliche Belastung als auch zunehmend durch gesellschaftliche Probleme, Mängel und Ungleichheiten eingeschränkt wird? 
    Portrait Lisa Mundt © Privat

    Anna-Maria Stadler

    Am Gelände
    In dem Romanprojekt „Am Gelände“ wird danach gefragt, auf welche Weise man sich ein Bild macht, von einem Ort, von einem System, von sich selbst und den anderen. Der Vater der Erzählerin übernimmt eine Stelle als Erzieher in einem abgelegenen Internat und die Familie zieht mit. Sie beziehen eine Wohnung „am Gelände“, wie das Plateau zwischen Bergen, Schlucht und Wald, mit den verstreuten Wohnhäusern und der Schule dazwischen, bezeichnet wird. Die Erzählerin versucht aus der zeitlichen Distanz das Gelände abzustecken, doch entgleitet ihr dieses immer wieder. Sie setzt Bilder zusammen, in einer Annäherung an diesen Ort und die Gegebenheiten dort, die gleichzeitig die Struktur ihres Erinnerns befragen.  
    Portrait Stadler © privat

    b) Musik

    Alexander Bauer

    in itself 
    "in itself" ist als mehrteilige Werkreihe für akustische Instrumente und Feedback-Systeme konzipiert. Grundidee ist hierbei, diese Werkreihe nicht nur als kompositorisches Projekt, sondern gleichermaßen als künstlerisches Forschungsprojekt zu realisieren. Feedback-Systeme sind hochgradig komplex, das klangliche Ergebnis hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab (beispielsweise Beschaffenheit von Lautsprechern, Mikrofon, Raumakustik etc.). Gleichzeitig ist das Verhalten dieser Systeme künstlerisch äußert reizvoll. Ziel meiner Arbeit ist es daher, die Möglichkeiten dieser Systeme systematisch auszuloten, Strategien zur Kontrolle dieser Systeme zu entwickeln und sie künstlerisch zu nutzen.
    Portrait Bauer © Dino Bossnini

    Lorenzo Troiani

    Song in the Dark
    Man glaubt, das Schicksal von Eurydike zu kennen. Eurydike ist nie die Protagonistin, das Hauptthema der Geschichte. Sie ist ein Bild in Orpheus! Augen, ein Spiegelbild. Stellen Sie sich eine Umkehrung der Perspektive vor. Eine Erzählung, die Eurydikes Reise zeigt. Eine erneuerte, verwandelte Eurydike. Ihr Körper verändert sich. Ihre Stimme verändert sich. Ihr neues Zuhause verändert die Zeit und den Raum, verformt die Koordinaten. „Song in the Dark“ thematisiert diese Verwandlung von Eurydike. Der überflutete, erodierte Raum, der sie umgibt, ist ihr zunächst fremd. Ihr Körper, ihre Stimme muss sich an die neuen Parameter anpassen. Wie schwingt ihre Stimme in dieser unterirdischen Welt? Wie verhalten sich die Schwingungen im Raum? Wie fließt die Zeit hörbar? „Song in the Dark“ ist als Stück für Alt, Cello Elektronik und Lichter konfiguriert. 
    Portrait Troiani © Sara Di Gianvito

    III. Stiftungspreise im Rahmen des Theodor Körner Fonds

    Christina Siegert

    Poverty risk within couples across the family life course (Wirtschaftswissenschaften) - Stiftungspreis der Stadt Wien
    Die Arbeit untersucht den Einfluss von Elternschaft auf das Armutsrisiko von Frauen und Männern in Paarhaushalten auf Basis des gemeinsamen Haushaltseinkommens und des Personeneinkommens, d.h. mit und ohne Berücksichtigung des Partnereinkommens. Es wird gezeigt, dass insbesondere Mütter häufig auf die finanzielle Unterstützung ihres Partners angewiesen sind, um Armut zu vermeiden–eine Perspektive, die in der Armutsberichterstattung bislang vernachlässigt wurde. Durch die Analyse quantitativer Daten im europäischen Ländervergleich und am Übergang zur Elternschaft in Deutschland werden neue Erkenntnisse zu Einkommensungleichheit und Armutsgefährdung in heterosexuellen Paarhaushalten gewonnen.
    Portrait Siegert © privat

    David Smrček

    Street Politics and Collective Violence in Cisleithania in 1897 (Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften) - Stiftungspreis der Stadt Wien
    The project Street Politics and Collective Violence in Cisleithania in 1897 explores one of Austria-Hungary’s most critical moments: the wave of riots and demonstrations triggered by the Badeni language ordinances, which equalized Czech and German in administration. Though affecting only a few thousand civil servants, the laws sparked opposition that paralyzed parliament and spread unrest to the streets. Rather than framing the events as mere Czech-German nationalist conflict, I examine them in a larger Habsburg Austrian context as part of broader societal changes tied to the rise of mass political parties and the transformation of late nineteenth-century society.
    Portrait Srmček © privat

    Hannah Todt

    Ins Leben rufen (Bildende Kunst und Kunstfotografie) - Stiftungspreis der Stadt Wien
    Der experimentelle Essayfilm „ich allein sind wir alle“ basiert auf den Tagebuchaufzeichnungen des Wiener Jugendlichen G.Z. aus den Jahren 1935 bis 1944. Das Tagebuch dokumentiert, wie die aufkommende faschistische Ideologie das Denken und den Alltag von G.Z. sukzessive prägt. Im Essayfilm wird G.Z.s Geschichte durch eine körperlose Figur erzählt, die sich zeitlicher und personenbezogener Kategorisierung entzieht. Der Film reflektiert die österreichisch-deutsche Erinnerungskultur, beleuchtet kollektive Schuld aus der Perspektive individueller Verantwortung und begreift Geschichte als aktiven, gegenwärtigen Prozess.
    Portrait Todt © privat

    Sophie Richter

    Ternäre Übergangsmetallkarbide Nanostrukturierte Hochtemperaturwerkstoffe der Zukunft (Medizin, Naturwissenschaft und Technik) - Klimaschutz-Preis, gewidmet vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
    Gasturbinen sind essenzieller Bestandteil stabiler Stromnetze, da sie Schwankungen aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarenergie ausgleichen können. Das Projekt untersucht 300+ ultrahochtemperaturbeständige Keramikbeschichtungen, welche als Schutzschicht die Effizienz von Gasturbinen durch höhere Arbeitstemperaturen steigern können. Ein dreistufiges Auswahlverfahren selektiert die Kandidaten, die dazu beitragen können, den Verbrauch fossiler Brennstoffe im Betrieb der Gasturbinen zu reduzieren. Dieselbe Technologie lässt sich auch zur Entwicklung treibstoffeffizienterer Flugzeugturbinen anwenden. 
    Portrait Richter © privat